4. 11. 2022

Gerichtshof der Europäischen Union nahm eine breite Auslegung des Begriffs der besonderen Kategorien personenbezogener Daten an

Der Gerichtshof der EU hat am 1. August 2022 ein Urteil in der Sache 184/20 (OT gegen Vyriausioji tarnybinės etikos komisija) gefällt, mit dem nahm er eine sehr breite Auslegung des Begriffs der besonderen Kategorien personenbezogener Daten aus dem Artikel 9 der Datenschutz-Grundverordnung („GDPR“ oder „Verordnung“) an. Es geht um eine viel beachtete Entscheidung im Bereich des Schutzes personenbezogener Daten, die voraussichtlich auf die Datenverarbeitung Verantwortlichen maßgebend beeinflussen wird.   


Die Datenverarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten ist im Artikel 9 der Verordnung geregelt. Es handelt sich um die Daten, die von ihrer Natur aus besonders sensibel sind, da die Umstände ihrer Verarbeitung die Grundrechte und Grundfreiheiten der Person, auf die sie sich beziehen, ernsthaft gefährden könnten. Diese Daten umfassen rassische und ethnische Herkunft der Person, Daten hinsichtlich ihrer Sexualleben oder ihrer sexuellen Orientierung, Gesundheitsdaten, Daten über Gewerkschaftsmitgliedschaft usw. Die Verarbeitung solcher personenbezogenen Daten ist grundsätzlich untersagt, es sei denn, dass eine der Ausnahmen besteht (zum Beispiel, die ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person oder die Verarbeitung solcher Daten für die Erfüllung der Pflichten und Ausübung besonderer Rechte der Person im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts). Bei der Sammlung und Verarbeitung müssen die Verantwortliche sehr vorsichtig vorgehen, da für eine rechtmäßige Verarbeitung eine Rechtsgrundlage aus dem Artikel 6 der Verordnung angegeben werden muss und zusätzlich eine der Ausnahmen vom Verarbeitungsverbot nach Artikel 9 Der Verordnung erfüllt sein muss. 


Die Hintergrund des Falles stammt aus Litauen, wo die nationale Gesetzgebung festlegt, dass der Direktor einer öffentlicher Einrichtung in seiner Aussage über Privatinteressen, die zur Verhinderung der Korruption vorzugelegt werden muss, unter anderem, auch Daten über seinem Ehepartner oder Partner angeben muss und diese Daten werden auch veröffentlicht. Im konkreten Fall, lag der Verpflichtete die Aussage nicht vor, da er der Ansicht war, dass es um Verletzung seiner Privatsphäre geht, und der Fall vor dem Gericht landete.


Die vom litauischen Gericht an dem Gerichtshof der EU vorgelegte Frage lautete, ob Artikel 9 der Verordnung so auszulegen ist, dass die Veröffentlichung personenbezogener Daten, durch denen besondere Kategorien personenbezogener Daten indirekt veröffentlicht werden könnten, eine Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Sinne dieser Bestimmung darstellt.


Diesbezüglich schrieb der Gerichtshof der EU, dass die Veröffentlichung des Namens des Partners an sich nicht unbedingt strittig ist, stimmte aber dem vorlegenden Gericht bei, dass aus dem Namen des Partners, Daten über das Sexualleben oder die sexuelle Orientierung der Person herausgelesen werden können, die Veröffentlichung dieser Informationen im Web beinhaltet aber die Verarbeitung besonderer Datenkategorie, für die ein besonders Regime aus dem Artikel 9 der Verordnung gilt.


Obwohl die Umstände des Falles recht spezifisch waren, kann die neue Auslegung des Begriffs der besonderen Kategorien personenbezogener Daten in Artikel 9 der Verordnung für alle für die Datenverarbeitung Verantwortlichen bedeutsam sein. Sie müssen den Umfang ihrer Datenverarbeitungstätigkeiten erneut überprüfen und sicherstellen, dass durch die Durchführung einer solchen Verarbeitung indirekt auf besonders sensible Daten nicht geschlossen werden kann. Dementsprechend müssen sie ihre internen Rechtsakte aktualisieren und sicherstellen, dass es eine Rechtsgrundlage nach Artikel 9 der Verordnung für die Verarbeitung dieser Daten gibt (zum Beispiel, Kontaktaufnahme und Einholung der ausdrücklichen Zustimmung der betroffenen Personen).


Autorin:  Tina Mihalič, Rechtsanwaltskandidatin


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